Karatschi – „Es herrscht Spannung im Land. Die Menschen in Pakistan fühlen sich von den Afghanen betrogen. In der Vergangenheit haben wir viele Jahre lang Tausenden von Menschen, die aufgrund von Kriegen und Verfolgungen aus Afghanistan über die Grenze gekommen sind, Zuflucht und Gastfreundschaft gewährt. Jetzt sind wir Terroranschlägen ausgesetzt, was zu Frustration und Feindseligkeit führt, weil die Menschen die Afghanen als undankbar empfinden“, sagt Pfarrer Mario Angelo Rodrigues, Priester der Erzdiözese Karachi und Rektor des katholischen Gymnasiums „St. Patrick“ in Karatschi, gegenüber Fides, im Hinblicke auf das Empfinden der pakistanischen Bevölkerung, während zwischen Pakistan und Afghanistan die Feindseligkeiten anhalten und ein neuer Krieg befürchtet wird.
In den letzten Tagen stürmten bei einem Anschlag in der pakistanischen Stadt Peshawar zwei Selbstmordattentäter und ein bewaffneter Mann das Hauptquartier der Bundespolizei: Drei Beamte wurden getötet und elf weitere verletzt. Keine Gruppe hat sich bisher zu dem Anschlag bekannt, aber der Verdacht fällt auf die pakistanische Gruppe „Tehrik-e-Taliban Pakistan“ , die mit den afghanischen Taliban verbündet ist und von der angenommen wird, dass sich viele ihrer Anführer in Afghanistan aufhalten.
Als Reaktion darauf flog die pakistanische Luftwaffe nächtliche Luftangriffe in drei östlichen Provinzen Afghanistans, bei denen nach Angaben der Regierung in Kabul zehn Zivilisten, darunter neun Kinder, getötet wurden. Zabihullah Mujahid, Chefsprecher der afghanischen Regierung, bezeichnete die Angriffe als „Gräueltaten” und erklärte, sie seien „eine Verletzung des afghanischen Hoheitsgebiets”. Afghanistan werde „zum geeigneten Zeitpunkt die notwendige Antwort geben”, fügte er hinzu und kündigte damit eine neue Eskalation des Konflikts an.
Der bilaterale Waffenstillstand, der dank der Vermittlung Katars und der Türkei im Oktober zustande gekommen war, sei zwar weiterhin in Kraft, „aber es gibt eine wachsende Feindseligkeit gegenüber den afghanischen Bürgern, die noch in Pakistan leben”, berichtet Pfarrer Rodrigues. „Es gibt ein Programm zur Rückführung dieser Flüchtlinge, das voranschreitet, und vielleicht ist das der Grund, warum viele Afghanen Enttäuschung, Wut und Ablehnung gegenüber der pakistanischen Regierung äußern, die sie zurückweist. Viele von ihnen sind vollständig integriert, und viele junge Menschen oder Kinder sind in Pakistan geboren“, so der katholische Geistliche.
„Um wieder ein Klima des gegenseitigen Vertrauens zu schaffen und einen Weg zum Frieden einzuschlagen, sollte die pakistanische Regierung die Situation akzeptieren und den afghanischen Flüchtlingen, die friedlich leben und keine Verbindungen zum Terrorismus haben, im Sinne einer offenen und pluralistischen Gesellschaft den Aufenthalt gewähren“, meint der Priester. Andererseits „sollte die Regierung in Kabul bei der Bekämpfung des Terrorismus, unserem gemeinsamen Feind, kooperieren“, merkt er an. „Als pakistanische Christen unterstützen wir Wege der Aufnahme und Brüderlichkeit, damit wir in unserer Gesellschaft und mit den Nachbarländern in echtem Frieden leben können“, schließt er.
Pakistan hat die Taliban in Afghanistan wiederholt aufgefordert, die Mitglieder der TTP daran zu hindern, afghanisches Territorium für Angriffe zu nutzen. Kabul weist diese Anschuldigung zurück, doch die Beziehungen haben sich verschlechtert. Die anhaltenden Spannungen haben den bilateralen Handel zwischen Pakistan und Afghanistan zum Erliegen gebracht, und alle Grenzübergänge sind seit letztem Monat geschlossen.